Das sind die aktuellen Herausforderungen der PR-Branche
Venera D’Elia, 11.02.2020 ***
Aktuell geht es der PR-Branche gut. Zu diesem Ergebnis kommt die internationale Studie ICCO PR Report 2020, für die 3.000 Agenturchefs weltweit zu den aktuellen Entwicklungen der Branche befragt wurden. Dennoch gilt es, sich immer wieder zu beweisen, denn Aspekte wie Digitalisierung, Rezession, Fachkräftemangel und ein Image-Problem stellen PR-Schaffende vor einige Herausforderungen. Agenturen kämpfen derzeit damit,
- Fachkräfte zu finden, die in der Kommunikationsbranche arbeiten wollen,
- die Wahrnehmung der PR-Arbeit zu verbessern,
- sich schnell anzupassen, um mit der Entwicklung Schritt zu halten und
- die Messbarkeit erbrachter Dienstleistungen sicherzustellen.
In unserem Beitrag präsentieren wir die wichtigsten Studienergebnisse und ordnen sie ein.
Optimistische Haltung der PR-Agenturen in Europa
Generell bringen Agenturen in Westeuropa mit 7 von 10 möglichen Punkten zum Ausdruck, dass sie ein Wachstum und eine bessere Profitabilität ihres Geschäftsfelds erwarten. Das größte Wachstumspotenzial sehen sie innerhalb der kommenden fünf Jahre in folgenden Branchen:
- IT und Technologie (60 Prozent),
- Healthcare (40 Prozent) sowie
- produzierendes Gewerbe (22 Prozent).
Die Herausforderungen liegen für Agenturen vor allem in zu knappen Budgets, im Wettbewerb mit anderen Marketingdisziplinen, darunter beispielsweise Online-Marketing, und darin, geeignete Mitarbeiter zu finden. „Marketingbudgets verschieben sich zunehmend in Richtung Unternehmenskommunikation. Agenturen bieten inzwischen auch Leistungen an, die vorher durch andere Dienstleister umgesetzt wurden“, sagt Francis Ingham, Studieninitiator des ICCO PR Report 2020 und Leiter des ICCO Instituts. Gleichzeitig wird von PR-Professionals ein immer umfassenderes IT-Know-how erwartet. Themen wie
- Künstliche Intelligenz (48 Prozent),
- Data Science (46 Prozent) und
- SEO (42 Prozent)
werden auf Platz 1 als wertvollste Skills genannt. Zudem gehen immer mehr Unternehmen davon aus, dass PR-Dienstleister ihre Kenntnisse in den Bereichen Research, Insights und Planung verbessern (44 Prozent). Danach folgen Data, Messbarkeit und Analytics (42 Prozent). Überraschenderweise landet der Aspekt Kreativität erst auf dem dritten Platz (37 Prozent). Der Trend verdeutlicht also, dass Mitarbeiter, die mit großen digitalen Datenmengen umgehen können, in der PR-Branche wichtiger sind als jene mit einem rein kreativen Hintergrund.
Bestehende Herausforderung: Fachkräftemangel in der Kommunikation
Dem gegenüber steht ein Thema, das auch 2020 brandaktuell bleibt: der Fachkräftemangel. 48 Prozent der Befragten geben im ICCO PR Report an, dass die Bindung von Top-Talenten derzeit die größte strategische Herausforderung ist. Laut der Studie lässt sich dies einfach erklären: Die Gehälter in der PR-Branche sind zu niedrig, wie 52 Prozent der Befragten erklären.
Ich finde nicht, dass man den Wert eines Jobs nur anhand des Gehalts bemessen kann. Ja, die Kommunikationsbranche zählt sicherlich nicht zu den bestbezahlten. Aber als Arbeitgeber hat man die Chance, (neue) Mitarbeiter mithilfe von Benefits zu überzeugen. Es gibt viele Anreize, die man über das Gehalt hinaus bieten kann. In der Kritik stehen häufig auch die Einstiegsmöglichkeiten, die PR-Agenturen in Form von Traineeships und Volontariaten bieten. Darum bieten wir unseren neuen, in der Regel frisch von der Universität kommenden Mitarbeitern, ein ausführliches Onboarding durch erfahrene Kolleginnen und Kollegen an. Das ist für uns ebenso selbstverständlich wie eine regelmäßige Weiterbildung durch Workshops. Gleichzeitig betrauen wir unsere neuen Mitarbeiter gleich mit Aufgaben aus dem Arbeitsalltag, da wir der Meinung sind, dass ein Training-on-the-job die beste Möglichkeit ist, um Erfahrungen zu sammeln und sich beruflich und persönlich weiterzuentwickeln.
Tanja Ressel-Nunheim, Operation Managerin bei Möller Horcher
Unattraktive Branche PR?
In diesem Kontext beleuchtet der ICCO PR Report 2020 auch, wie attraktiv die PR-Branche für talentierte potenzielle Mitarbeiter ist. Laut den Ergebnissen des ICCO PR Reports sprechen sich 36 Prozent für ein mangelndes Interesse an dem Beruf aus. Für Mitarbeiter aus anderen Branchen sei es häufig nicht sehr attraktiv, in die Kommunikationswelt zu wechseln. Doch woran liegt das? Möglicherweise könnte die PR-Branche hier selbst aktiv werden und etwas dafür tun, um Fachkräften den PR-Job schmackhaft zu machen. Schon längst handelt es sich bei einem PR-Berater nicht um einen quirligen Menschen, der non-stop telefoniert, um auch noch den letzten Journalisten von der Veröffentlichung eines Fachartikels zu überzeugen. Vielmehr geht es um fundiertes Wissen und Weitsicht. Beides ist zwingend erforderlich, um Kunden bestmöglich beraten zu können. Es gilt also, Menschen für die Kommunikationsbranche zu begeistern.
PR-Branche muss sich schnell anpassen
Die Digitalisierung macht auch vor der PR-Branche nicht Halt. Für PR-Experten in Europa ist die Anpassung an neue Technologien kein großes Thema. 60 bis 70 Prozent behaupten von sich selbst, dass sie schnell genug auf diese Entwicklungen reagieren und in neue Technologien investieren. Doch was heißt schon „angemessen“ und „in neue Technologien investieren“? Wenn man versucht, eine Antwort darauf zu finden, ergeben sich häufig neue Fragen. Aspekte wie Messbarkeit, Analytics und Influencer Marketing werden als Bereiche bewertet, in die sich Investitionen lohnen – was wichtig und richtig ist. Darüber hinaus sind 60 bis 70 Prozent der Agenturleiter in der Kommunikationsbranche fest davon überzeugt, dass sie ethisch korrekt arbeiten. Unabhängige Vertrauensumfragen bewerten PR-Profis allerdings gegensätzlich. Es ist also nicht nur wichtig, die eigene Reputation bei (potenziellen) Kunden zu verbessern, sondern auch, dass Kommunikationsprofis die Verbesserung des eigenen Images 2020 ebenso weit oben auf ihre Prioritätenliste setzen. Unternehmen aus sämtlichen Branchen beziehen klare Stellung gegenüber Fake News. Deshalb sollten PR-Agenturen wieder ihre Rolle als glaubwürdige Quelle für Journalisten, Medien, Entscheidungsträger und öffentliche Einrichtungen einnehmen und stärken.
Strategische PR-Beratung nimmt an Bedeutung zu
„Die strategische Beratung gewinnt zunehmend an Bedeutung. Ich bin davon überzeugt, dass es weiterhin und überall Bedarf für taktisches Handeln und klassische Medienarbeit geben wird. Unsere Branche nimmt aber jedes Jahr eine zunehmend strategischere Rolle ein“, sagt Francis Ingham. Das verdeutlichen auch die Ergebnisse des ICCO PR Reports: Ein hohes Wachstumspotenzial sehen die befragten PR-Professionals in den Bereichen Strategische Beratung (46 Prozent) sowie Corporate Reputation (42 Prozent). Gerade in Zeiten von VUCA (Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Ambiguität) zeichnet sich der Trend ab, dass CEOs wieder mehr in ihre Unternehmensreputation investieren.
In unserem Arbeitsalltag stellen wir immer häufiger fest, dass sich unsere Kunden eine ganzheitliche Beratung wünschen. Sie kommen auf uns zu mit Themen wie „Optimierung der Customer Experience“, „Positionierung als Experte“ oder „Veränderungen in Unternehmen und entsprechende Auswirkungen auf die Kommunikation“. Gleichzeitig wird Kommunikation zunehmend komplexer, denn es gibt immer mehr Kanäle und Touchpoints, über die Kunden sich informieren und mit Unternehmen interagieren. Insofern ist tatsächlich zu beobachten, dass unser Aufgabenspektrum wächst, was die Arbeit sehr spannend macht! Kommunikation avanciert zum Erfolgsfaktor für Unternehmen. Es ist essenziell, mit Kunden und anderen Stakeholdern zu kommunizieren. Dabei können wir als Agentur ein wichtiger Sparringspartner für unsere Auftraggeber sein und Unternehmen mit dem Blick von außen und gezielten (Rück)fragen bei der Entwicklung und Umsetzung ihrer Kommunikation unterstützen.
Sandy Wilzek, Agenturleiterin
Messbarkeit: die Achillesferse der PR-Branche
82 Prozent der PR-Kunden in Europa erwarten, dass der PR-Dienstleister seine Kommunikationsmaßnahmen misst. Als Messgröße nutzen in Westeuropa heute immer noch über die Hälfte der Agenturen (56 Prozent) den recht umstrittenen Anzeigenäquivalenzwert (AVE). Um einen monetären Vergleichswert zu erhalten, wird die PR-Veröffentlichung dabei wie ein Werbeinhalt betrachtet. Der AVE wird in der Regel auf Basis der Treffer aus der Medienbeobachtung beziehungsweise auf Grundlage der ermittelten Clippings errechnet. Dabei gleichen Agenturen die ermittelte Größe eines veröffentlichten Artikels mit den entsprechenden Kosten, die bei der Schaltung einer Anzeige entstanden wären, ab. Wichtig bezüglich des AVEs sind dabei auch Platzierung und Farbigkeit, die Häufigkeit der Nennungen und die Tonalität des Artikels. Nicht selten werden die Kosten sogar multipliziert, denn man geht davon aus, dass eine redaktionelle Platzierung eines Artikels eine höhere Glaubwürdigkeit als eine Anzeige hat. Somit sind AVEs nicht zwingend die geeignetsten und glaubwürdigsten Kennzahlen, um Erfolg und Wert einer qualitativen PR-Strategie zu messen. Dies kommt bei der Produkt-PR noch eher als KPI in Betracht als beispielsweise im Bereich der Krisen- oder Corporate-PR. Das liegt daran, dass zumeist nicht nachvollziehbar ist, ob ein Medium positiv über ein Unternehmen berichtet hat, oder welche Kernbotschaften vermittelt wurden. Darüber hinaus wird weder der Aufwand in Beziehung zum Ergebnis gesetzt noch überprüft, ob das Kampagnenziel erreicht wurde. Generell ist eine redaktionelle Erwähnung immer glaubwürdiger als ein Advertorial oder eine Anzeige.
In Zeiten des Online Marketings, wo sich alles tracken und messen lässt, stellen viele Unternehmen die Investition in kontinuierliche PR in Frage. Das liegt unserer Erfahrung nach häufig an der unzureichenden Messbarkeit. Es ist eben nicht möglich, den Erfolg von PR direkt in einem Return on Investment zu messen. Vielmehr dient PR dazu, die Sichtbarkeit und Reputation von Unternehmen zu verbessern. Positive Auswirkungen auf den wirtschaftlichen Erfolg, etwa in Form einer Umsatzsteigerung, sind häufig sehr schwer nachweisbar. Natürlich ist es für Unternehmen wichtig, zu prüfen, ob sich die Investition in eine PR-Maßnahme beziehungsweise Kampagne lohnt. Aber dies lässt sich nicht nur an rein quantitativen KPIs belegen. Hier ist eine Mischung aus qualitativen und quantitativen Auswertungen empfehlenswert, die sich letztlich auch an den kommunikativen Zielen orientiert. An dieser Stelle ist es wichtig, sinnvolle KPIs festzulegen und sich der Tatsache bewusst zu sein, dass man mit einem KPI nicht mehrere Ziele zugleich messen kann. Neue Technologien für die Datenanalyse und -auswertung werden zukünftig sicherlich hilfreich sein. Langfristig betrachtet, zahlen sich der Aufbau einer guten Reputation und die Nutzung der Medien als glaubwürdige Botschafter der eigenen Unternehmensbotschaften aus. Hier kann PR als Weichensteller fungieren, der den Grundstein für andere Abteilungen wie Sales und Marketing legt, um das Lead Management und die Umsatzsteigerung zu unterstützen.
Katja Dreißig, Senior PR-Consultant und Ausbildungsleiterin Consulting bei Möller Horcher